Der IX. Senat des Bundesgerichtshofes entschied am 10.04.2014 (Az. IX ZR 176/13), dass einem Anleger in Falle eines „Schneeballsystems“ noch nicht zurückgezahlte Beteiligungen – ohne normalerweise anfallende Abzüge – nach Treu und Glauben voll zustehen.
Die Klägerin hatte sich mit Einlagen in Höhe von insgesamt rund 15.000 € an einem Einlagepool beteiligt. Die Schuldnerin betrieb Optionsgeschäfte. Sie erwirtschaftete bis 1997 hohe Verluste. Diese verschwieg sie. Ihre Jahresabschlüsse, Kontoauszüge und Abrechnungen beruhten auf gefälschten Kontoauszügen und Saldenbestätigungen. Sie wiesen tatsächlich nicht erzielte Gewinne aus. Die Schuldnerin verwandte die Einlagen im Wesentlichen dazu, Scheingewinne an schon vorhandene Anleger auszuzahlen und sonstige Rückzahlungen zu leisten sowie die eigenen Geschäftskosten zu decken. Die Klägerin erhielt eine solche Auszahlung aus den vermeintlich erzielten Gewinnen in Höhe von rund 13.000 €. Optionsgeschäfte betrieb die Schuldnerin seit 1997 allenfalls in – bezogen auf die Einlagen – geringem Umfang. Im Jahre 2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Die Klägerin meldete offene Forderung von ca. 17.000 € zur Tabelle an. Der Insolvenzverwalter (Beklagter) bestritt die Forderung; die Klägerin habe sich die vertraglich vereinbarten Verwaltungsprovisionen sowie erwirtschaftete Handelsverluste anzurechnen.
Ebenso wie seine Vorinstanzen entschied der BGH zu Gunsten der Klägerin. Verwaltungskosten seien zwar vereinbart worden, dürften aber nicht abgezogen werden, da diese Ansprüche verwirkt sind.
Das oben dargestellte Vorgehen der Schuldnerin, die in betrügerischer Weise neue Anleger warb und ihre vertraglichen Verpflichtungen entsprechend ihrer vorgefassten Absicht grob verletzte, verbietet es, die Klägerin durch vereinbarte Verwaltungskosten am Vertrag festzuhalten. Gegenstand des Vertrages war die Chance, durch Optionsgeschäfte Gewinne zu erzielen. Um diese Chance ist die Klägerin gebracht worden, weil die versprochenen Geschäfte überwiegend gar nicht erst getätigt worden sind. Damit ist kein Grund ersichtlich, warum sie mit den entgegengehaltenen Kosten belastet werden sollte. Aufgrund der erheblichen Verletzung von vertraglichen Treuepflichten verstößt die Geltendmachung der Forderungen des Beklagten gegen Treu und Glauben.