OLG Hamburg: Unzulässiger Boykottaufruf

2019-03-19T09:51:26+00:0026. Februar 2009|

Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat die Schadenersatzverpflichtung eines Versicherungsmaklerunternehmens festgestellt, das Versicherungsunternehmen aufgefordert hatte, eine Zusammenarbeit mit einer ehemaligen Vermittlerin zu verweigern. Hierin sah das Hanseatische OLG Hamburg einen unzulässigen Boykottaufruf und damit einen Verstoß gegen § 21 Abs. 1 Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen („GWB“).

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 26.02.2009 AZ: 1 Kart-U 3/07 / 1 Kart-W 1/07

In dem zugrunde liegenden Fall war die Klägerin aufgrund eines Vermittlungsvertrages ursprünglich als Versicherungsvertreterin für zwei Maklerunternehmen (U) tätig gewesen, bei denen es sich um Tochterunternehmen der Beklagten handelte.

Die Klägerin hatte von U. Provisionen sowie einen Buchauszug verlangt und den Vermittlungsvertrag fristlos mit der Begründung ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung gekündigt. Die U kündigten daraufhin ihrerseits fristlos den Vermittlungsvertrag mit der Klägerin und zwar mit der Begründung, dass diese vertragswidrig Kunden abgeworben und zu anderen Zwecken überlassene Daten unzulässig genutzt habe.

Die sodann als Versicherungsmaklerin tätige Klägerin reichte Geschäfte nunmehr bei den Versicherern (V und Z) ein und beantragte, die Kunden auf sie umzuschlüsseln.

Daraufhin schrieb die Beklagte diese Versicherer an und bat diese unter Beanstandung des Verhaltens der Klägerin und unter Hinweis auf die Auseinandersetzung mit dieser darum, bis zu deren Abschluss keine endgültigen Übertragungen bzw. Umschlüsselungen von Kunden auf die Klägerin vorzunehmen. Die Z kündigte daraufhin die mit der Klägerin bestehende Courtagevereinbarung mit sofortiger Wirkung und kündigte an, nicht mehr mit der Klägerin zusammenzuarbeiten. Daraufhin kündigte ein Kunde den Maklervertrag mit der Klägerin unter Hinweis auf die Kündigung der Z gegenüber der Klägerin und wechselte zur U. Die V Versicherung teilte der Klägerin mit, deren Umschlüsselungsanträge in der Schwebe zu halten. Nachdem die Klägerin die Beklagte wegen Boykottaufrufes abgemahnt und das Kartellamt eingeschaltet hatte, welches die Beklagte zur Stellungnahme aufgefordert hatte, stellte diese gegenüber der Z und der V klar, dass sie mit ihren Beanstandungsschreiben nicht zu einer Bezugssperre oder Liefersperre gegenüber der Klägerin auffordern wollte und es der Z und V freistehe, Umschlüsselungen und Vertragsübertragungen auf die Klägerin vorzunehmen.

Das in erster Instanz angerufene Landgericht Hamburg verurteilte die Beklagte zur Auskunftserteilung und stellte deren Schadenersatzverpflichtung fest, wobei es seine Entscheidung auf Vorschriften des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) stützte und in dem Verhalten der Beklagten eine unlautere gezielte Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG erblickte.

Im Berufungsverfahren bestätigte das Hanseatische Oberlandesgericht, nachdem beide Parteien den Auskunftsanspruch für erledigt erklärt hatten, nur noch über die Schadenersatzverpflichtung zu entscheiden war, die erstinstanzlich festgestellte Schadenersatzverpflichtung der Beklagten weitgehend. Das OLG stellte gegenüber dem Landgericht nicht auf das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb („UWG“) sondern auf das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen („GWB“) ab und nahm einen nach § 21 Abs. 1 GWB unzulässigen Boykottaufruf, nämlich eine Aufforderung zur einer Liefersperre an und stellte eine Schadenersatzverpflichtung der Beklagten gemäß § 33 GWB fest. Durch ihre Schreiben habe die Beklagte zu einer Liefersperre aufgerufen, da die Bitte, zunächst von Bestandsübertragungen abzusehen, beinhaltete, dass eine Geschäftsbeziehung mit der Klägerin nicht aufgenommen werden sollte. Damit würde der Klägerin der Zugang zu Provisionen für wechselwillige Kunden gesperrt.

Die Boykottaufforderung erfolgte in der Absicht, die Klägerin unbillig zu beeinträchtigen. Die Aufforderung hätte zur Folge, dass die Klägerin für wechselwillige Maklerkunden vorerst keine Provision vereinnahmen konnte und in ihrem Fortkommen im Wettbewerb behindert und damit beeinträchtigt werde. Die Unbilligkeit der Beeinträchtigung lag nach der vom Senat vorgenommenen Interessenabwägung ebenfalls vor. Die Beklagte durfte auf ein etwaiges vertragswidriges Abwerben von Kunden oder eine etwaige unzulässige Datennutzung durch die Klägerin ihrerseits nicht mit einem Boykottaufruf reagieren. Ein solcher stelle zwar ausnahmsweise keine unbillige Beeinträchtigung dar, wenn er zur Abwehr eines rechtswidrigen Angriffes oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt. Dazu muss allerdings erstens der Verrufene rechtswidrig gehandelt haben, zweitens darf dem Auffordernden kein milderes Mittel und insbesondere gerichtliche Hilfe zur Verfügung stehen und drittens darf der Boykottaufruf nicht über das zur Abwehr des rechtswidrigen Angriffes unbedingt erforderliche Maß hinausgehen. Es gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ob die Klägerin vor Vertragsbeendigung vertragswidrig Kunden der Beklagten abgeworben hatte und zudem unzulässig und unter Verstoß gegen § 17 UWG Kundendaten genutzt hatte, war zwischen den Parteien umstritten und von der Beklagten nicht ausreichend dargelegt worden. Das OLG stellte weiter fest, dass die Beklagte gegen ein vertragswidriges Abwerben von Kunden durch die Klägerin hätte gerichtlich vorgehen können. Sie hätte insbesondere gegen die Klägerin wegen einer unzulässigen Nutzung der überlassenen Kundendaten wegen Geheimnisverrates nach § 17 UWG im Wege der einstweiligen Unterlassungsverfügung vorgehen und ihr die Nutzung derartig erlangter Daten gerichtlich untersagen lassen können, auch wenn dieses oft nur schwer möglich ist. Zudem hätte sie abgeworbene Kunden bearbeiten und gefährdete Kunden anschreiben können. Letztlich ging aber auch der Boykottaufruf über das zur Abwehr eines etwaigen rechtswidrigen Angriffs unbedingt erforderliche Maß hinaus. Denn zur Abwehr hätte es ausgereicht, den Versicherern V und Z einzelne Verdachtsfälle mitzuteilen.