Eine als Anlageberaterin tätige Bank, die im Jahre 2001 bei der Empfehlung eines geschlossenen Medienfonds ihren Kunden nicht unaufgefordert über die ihr vom Anbieter des Fonds zugesagte Provision aufklärt, haftet dem Kunden gegenüber mangels Verschulden nicht auf Schadenersatz. Dieses hat das OLG Dresden (Urteil vom 24.07.2009-8 U 1240/08) entschieden und damit begründet, dass die beratende Bank damals in Bezug auf die Verletzung der Offenlegungspflichten weder vorsätzlich noch fahrlässig handelte, da sie sich damals in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum befand.
Ein Anlageberater, der es im Jahre 2001 unterlassen hat, im Zusammenhang mit der Empfehlung einer nicht dem Anwendungsbereich des WpHG unterfallenden steuerbegünstigten Kapitalanlage gegenüber dem Anlageinteressenten unaufgefordert zu offenbaren, dass ihm eine (die 15 %-Grenze unterschreitende) Provision vom Anbieter in Aussicht steht, befand sich in Bezug auf die Verletzung der Offenlegungspflicht in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum (Leitsatz des Gerichts).
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall nahm der klagende Anleger die beklagte Bank auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit einer im Jahre 2001 gezeichneten Beteiligung an einem im Jahre 2001 aufgelegten geschlossenen Medienfonds in Anspruch. Der Kläger wirft der beklagten Bank insbesondere vor, ihn nicht über die von ihr vereinnahmte Provision aufgeklärt zu haben. Erstinstanzlich hatte das Landgericht Chemnitz die Klage abgewiesen. Die Berufung vor dem OLG Dresden hatte keinen Erfolg. Das OLG hat jedoch die Revision vor dem BGH zugelassen.
Eine Haftung der beklagten Bank scheidet nach Ansicht des OLG Dresden aus, da diese zwar nach der Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 20.01.2009-XI ZR 510/07) zur Offenlegung von Provisionen auch bei geschlossenen Fonds verpflichtet sei, sie aber kein Verschulden trifft, da sie sich im Jahre 2001 in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum über ihre Offenlegungsverpflichtung befunden hatte.
Das Gericht verneint ein vorsätzliches Verschweigen der erhaltenen Innenprovision in Kenntnis einer bestehenden Offenbarungspflicht durch die Bank, da eine Pflicht zur Offenlegung von Rückvergütungen unterhalb einer die Rentabilität der Anlage in Frage stellenden Schwelle von 15 % im Rahmen des Anlageberatungsvertrages zum Zeitpunkt der Beratungsgespräche in 2001 weder in der Rechtsprechung noch in der juristischen Fachliteratur vertreten wurde. Es sei ausgeschlossen, dass den handelnden Mitarbeiter oder Organen der Bank bereits in 2001 die erstmals vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 19.12.2006 (Urteil vom 19.12.2006 – XI ZR 56/05) erkannte Offenlegungspflicht bewusst gewesen ist oder sie diese für möglich gehalten haben. Hierfür spreche auch, dass es damals übliche Geschäftspraxis war, die Vergütung nicht offen zu legen, was damals in der Rechtsprechung auch nicht beanstandet oder problematisiert wurde.
Der beklagten Bank ist kein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen. Denn eine Offenbarungspflicht in Bezug auf die Innenprovision für den Vertrieb geschlossener Fonds war für diese im Jahre 2001 auch bei Einhaltung des insoweit strengen Sorgfaltsmaßstabes nicht erkennbar. Zum einen gab es zu diesem Zeitpunkt keine Rechtsprechung, nach welcher der Anlageberater zur Vermeidung eines Interessenkonflikts zur Offenlegung von Rückvergütung gegenüber dem Anlageinteressenten verpflichtet war. Zum anderen wurden auch später nach der grundlegenden Entscheidung des BGH vom 12.02.2004 (BGH Urteil vom 12.02.2004-III ZR 359/02) Offenbarungspflichten im Hinblick auf die Vereinnahmung von Innenprovisionen in Literatur und Rechtsprechung zunächst allgemein erst ab einer Höhe von 15 % angenommen. Die vom BGH in seiner Entscheidung vom 20.01.2009 (BGH Beschluss vom 20.01.2009-III ZR 510/07) hinsichtlich der Art und des Umfangs von Offenbarungspflichten über Innenprovisionen vorgenommene Unterscheidung zwischen Anlagevermittlung und Anlageberatung wurde in 2001 weder von der Rechtsprechung noch in der Fachliteratur vorgenommen und war für die beklagten Bank nicht vorhersehbar.
Auch sollte die Entscheidung des BGH vom 19.12.2006 hinsichtlich der schwellenwertunabhängigen Offenbarungspflicht über vereinnahmte Innenprovisionen im Bereich des Wertpapierhandels nach weiten Teilen der Fachwelt gerade nicht auf den Vertrieb geschlossener Fonds zu übertragen sein. Selbst im Jahre 2007 habe der BGH bei einer Entscheidung über einen vergleichbaren Sachverhalt (BGH 25.09.2007 – XI ZR 320/06) noch keinen Anlass zur Auseinandersetzung mit dem Problem eines vertragswidrigen Interessenkonfliktes gesehen.
Zudem stelle die neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH Beschluss vom 20.01.2009) eine grundlegende Weiterentwicklung der Rechtsprechung dar. Diese sei für die Beklagte zum Zeitpunkt der Beratungsgespräche in 2001 nicht abzusehen gewesen, zumal der Bundesgerichtshof noch in 2002 eine allgemeine Offenlegungspflicht für Innenprovisionen abgelehnt hatte (BGH Urteil vom 14.03.2002 – V ZR 308/02). Durchgreifende Zweifel an einer Offenlegungspflicht bestanden auch deshalb, da der Kunde damit rechnen musste, dass die Bank, wenn sie von dem die Beratung beanspruchenden Kunden bereits keine Vergütung erhielt, nahe liegender Weise von dem Anbieter der empfohlenen Kapitalanlage vergütet wird. Über Umstände, mit denen der Vertragspartner ohne weiteres rechnen muss, brauchte auch ein Anlageberater nach dem damaligen Stand der Rechtsprechung nicht ungefragt aufzuklären.
Auch musste die beklagte Bank in 2001 nicht aufgrund der bestehenden Gesetzeslage von einer Offenbarungspflicht ausgehen. Ausdrückliche gesetzliche Hinweise hinsichtlich der gebotenen Vermeidung von Interessenkonflikten fanden sich im Jahre 2001 lediglich in § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG. Diese Vorschrift war jedoch lediglich auf den Wertpapierhandel beschränkt und auf den hier betroffenen geschlossenen Medienfonds nicht anzuwenden. Ebenfalls nicht anzuwenden war die Richtlinie des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel (BAWe) zur Konkretisierung der §§ 31, 32 WpHG für das Kommissions-, Festpreis- und Vermittlungsgeschäft der Kreditinstitute vom 26.05.1997. Letztlich wurde, so das OLG, auch in der Literatur eine Aufklärungspflicht über Provisionen zum damaligen Zeitpunkt lediglich vereinzelt und nur für besondere Fallkonstellationen, etwa beschränkt auf den Anwendungsbereich des WpHG oder in Fällen der Sittenwidrigkeit, des Wuchers oder einer sonstigen schwerwiegenden Treuwidrigkeit bejaht.