BGH zum Deutlichkeitsgebot einer Widerrufsbelehrung

2019-04-05T11:54:11+00:0010. März 2009|

Eine einem Verbraucher erteilte Widerrufsbelehrung, die von einem unbefangenen rechtsunkundigen Leser dahin verstanden werden kann, die Widerrufsfrist werde unabhängig von der Vertragserklärung des Verbrauchers bereits durch den bloßen Zugang des von einer Widerrufsbelehrung begleiteten Vertragsangebots des Vertragspartners in Gang gesetzt, entspricht nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB. Bilden Verbraucherdarlehensvertrag und finanziertes Geschäft eine wirtschaftliche Einheit und ist das Darlehen dem Unternehmen bereits teilweise zugeflossen, so hat der vom Verbraucher erklärte Widerruf der auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Vertragserklärung zu Folge, dass der Darlehensgeber im Abwicklungsverhältnis an die Stelle des Unternehmers tritt. Ist das verbundene Geschäft nicht vollständig fremdfinanziert worden, muss der Darlehensgeber dem Verbraucher auch dem von diesem aus eigenen Mitteln an den Unternehmer gezahlten Eigenanteil zurückerstatten (Leitsätze des BGH Urteils vom 10.03.2009 – XI ZR 33/08).

In dem der Entscheidung des BGH zugrunde liegenden Fall wurde der Kläger von einem Vermittler im Dezember 2002 geworben, sich mit einem Kapitalanteil von € 40.000,00 zzgl. 5 % Agio an einem geschlossenen Fonds zu beteiligen. Der Kläger zahlte am 30.12.2002 € 10.000,00 aus eigenen Mitteln an die Fondsgesellschaft. Den restlichen Betrag finanzierte er über die Beklagte, die dem Kläger ein von ihr am 14.02.2003 unterzeichnetes, mit „Darlehensvertrag“ überschriebenes und mit einer Widerrufsbelehrung versehenes Darlehensangebot über einen Nettokreditbetrag von € 32.000,00 unterbreitete. Mit Datum vom 22.02.2003 bestätigte der Kläger den Empfang des Vertragsangebots und der Widerrufsbelehrung. Die Widerrufsbelehrung der beklagten Bank lautete auszugsweise wie folgt:

„Jeder Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 2 Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (…) widerrufen. Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt 1 Tag, nachdem dem Darlehensnehmer diese Belehrung mitgeteilt und eine Vertragsurkunde, der schriftliche Darlehensantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Darlehensantrages zur Verfügung gestellt wurde.

(…)

Von dieser Widerrufsbelehrung habe/n ich/wir Kenntnis genommen.

Unterschrift, Datum“

Am 15.03.2003 unterzeichnete der Kläger den Darlehensvertrag sowie – durch gesonderte Unterschrift – die Erklärung über die Kenntnisnahme der Widerrufsbelehrung. Der Kläger erbrachte bis Ende 2005 auf das Darlehen ratenweise Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von € 10.065,48 und erhielt in diesem Zeitraum Fondsausschüttungen in Höhe von € 5.600,00. Nachdem die Fondsgesellschaft im Frühjahr 2005 in Insolvenz geraten war, widerrief der Kläger mit Schreiben vom 05.08.2005 seine Darlehensvertragserklärung und verlangte sodann von der beklagten Bank Rückgewähr seiner von ihm an die Beklagte auf das Darlehen geleisteten Zahlungen.

Das erstinstanzliche Landgericht Karlsruhe wies die Klage zurück. Auf die Berufung hat das OLG Karlsruhe der Klage zum größten Teil stattgegeben.

Der BGH wies nunmehr die Revision der beklagten Bank zurück und begründete seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:

Der Kläger könne nach §§ 346, 357 Abs. 1 BGB Rückzahlung seiner an die Beklagten geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen verlangen, da er sein ihm nach §§ 495 Abs. 1, 355 BGB zustehendes Widerrufsrecht wirksam ausgeübt habe. Da die Widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen habe und deshalb die Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB nicht zu laufen begonnen hatte, konnte der Kläger sein Widerrufsrecht am 05.08.2005 noch wirksam ausüben.

Gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB sei der Verbraucher auch über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren. Der Lauf der Widerrufsfrist hängt bei einem Vertrag, der wie der streitgegenständliche Verbraucherdarlehensvertrag gemäß § 492 BGB schriftlich abzuschließen ist, davon ab, dass dem Verbraucher über die Widerrufsbelehrung hinaus (§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB) auch eine Vertragsurkunde oder sein eigener schriftlicher Antrag im Original bzw. in Abschrift zur Verfügung gestellt wird (§ 355 Abs. 2 Satz 3 BGB). Der Widerrufsbelehrung müsse bei Schriftform des Vertrages also eindeutig zu entnehmen sein, dass der Lauf der Widerrufsfrist zusätzlich zu dem Empfang der Widerrufsbelehrung voraussetzt, dass der Verbraucher im Besitz einer seine eigene Vertragserklärung enthaltenen Urkunde ist. § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB trage insofern den mit der Belehrung verfolgten Ziel Rechnung, dem Verbraucher sein Widerrufsrecht klar und deutlich vor Augen zu führen. Nur wenn der Verbraucher eine Vertragserklärung bereits abgegeben habe oder zumindest zeitgleich mit der Belehrung abgibt, wenn sich also die Belehrung auf eine konkrete Vertragserklärung des Verbrauchers bezieht, könne er die ihm eingeräumte Überlegungsfrist sachgerecht wahrnehmen.

Die Widerrufsbelehrung der Beklagten belehre den Verbraucher über den maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 2 BGB nach Auffassung des Bundesgerichtshofes nicht richtig, weil sie das unrichtige Verständnis nahe lege, die Widerrufsfrist beginne bereits 1 Tag nach Zugang des mit der Widerrufsbelehrung versehenen Darlehensangebots der Beklagten zu laufen. Insbesondere entstehe durch die Formulierung „die Widerrufsfrist beginne 1 Tag nach Mitteilung dieser Belehrung…“ aus Sicht eines unbefangenen durchschnittlichen Kunden der Eindruck, diese Voraussetzungen seien bereits mit der Übermittlung des die Widerrufsbelehrung enthaltenen Vertragsantrags der Beklagten erfüllt und die Widerrufsfrist beginne ohne Rücksicht auf eine Vertragserklärung des Verbrauchers bereits am Tag nach Zugang des Angebots der Beklagten zu laufen. Dies gelte umso mehr, als das Angebot der Beklagten mit „Darlehensvertrag“ überschrieben war, so dass für den unbefangenen Leser der Eindruck entstehe, es handele sich bei dieser Urkunde unabhängig von der Annahmeerklärung des Klägers um die die in der Widerrufsbelehrung genannte Vertragsurkunde, die dem Kläger zur Verfügung gestellt wurde. Insgesamt entspreche die verwendete Formulierung der Widerrufsbelehrung nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB, da sie die unzutreffende Vorstellung hervorrufen könne, die Widerrufsfrist beginne unabhängig von einer Vertragserklärung des Verbrauchers bereits am Tag nach dem Zugang des Angebots der Beklagten nebst Widerrufsbelehrung.

Da sich durch den wirksamen Widerruf der zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag gemäß §§ 357 Abs. 1, 346 BGB ex nunc in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt habe, schuldet die Beklagte dem Kläger danach die Rückgewähr der von ihm aus seinem Vermögen erbrachten Zins- und Tilgungsraten. Der BGH wies den Einwand der Beklagten zurück, wonach sich der Kläger die von dem eingeklagten Betrag die von ihm empfangenen Fondsausschüttungen in Höhe von € 5.600,00 in Abzug bringen lassen müsse. Zwar müsse sich grundsätzlich der Kläger nach den Regeln des Vorteilsausgleichs direkt an ihn oder die Bank geflossene Fondsausschüttungen anrechnen lassen, da er andernfalls besser stünde, als er ohne die Beteiligung an dem Fonds gestanden hätte. Der Kläger konnte gegenüber dem Anspruch der Beklagten auf Herausgabe der ihm zugeflossenen Fondsausschüttungen jedoch wirksam mit seiner Forderung auf Rückzahlung der an den Fonds erbrachten Eigenkapitalzahlungen von € 10.000,00 aufrechnen. Da es sich bei dem Darlehensvertrag und dem Fondsbeitritt um ein verbundenes Geschäft im Sinne von § 358 BGB handelte, führt der Widerruf der Darlehensvertragserklärung zugleich dazu, dass der Kläger gemäß § 358 Abs. 2 S. 1 BGB auch nicht mehr an finanzierten Vertrag, hier also den Beitritt zu der Fondsgesellschaft, gebunden ist. § 358 Abs. 2 BGB gilt auch für den finanzierten Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft, sofern die Voraussetzungen eines verbundenen Geschäfts nach § 358 Abs. 3 BGB vorliegen. Die Rückabwicklungsansprüche, die dem Kläger in Folge der Erstreckung der Widerrufsfolgen auf das finanzierte Geschäft zustehen, kann er gemäß § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB der Beklagten als finanzierende Bank entgegenhalten. Sofern – wie hier – das auszuzahlende Darlehen bereits ganz oder teilweise dem Unternehmer zugeflossen ist, sieht § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB eine bilaterale Rückabwicklung allein im Verhältnis zwischen Darlehensgeber und Verbraucher vor. Der Kläger hat daher gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückerstattung aller aus seinem Vermögen an die Beklagte und die Fondsgesellschaft erbrachten Leistungen. Hierzu gehören sowohl die an die Beklagte erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen als auch die Anzahlung, die der Kläger aus eigenen Mitteln an die Fondsgesellschaft geleistet hatte. Ist also die Beteiligung an der Fondsgesellschaft nicht vollständig fremdfinanziert, hat die Beklagte als Darlehensgeberin dem Kläger als Verbraucher auch dessen aus eigenen Mitteln an die Fondsgesellschaft gezahlten Eigenanteile zu erstatten. Damit kann der Kläger im Ergebnis die von ihm geleisteten Zins- und Tilgungsleistungen ungekürzt zurückverlangen.

BGH Urteil vom 10.03.2009 XI ZR 33-08