BGH: Verwendung von Kundendaten durch Untervermittler

2019-04-05T11:04:13+00:0026. Februar 2009|

Ein Versicherungsvertreter darf Kundendaten, die ein Geschäftsgeheimnis seines früheren Dienstherrn darstellen, nach der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses nicht schon deshalb für eigene Zwecke verwenden, weil er die Kunden während des Bestehens des Handelsvertreterverhältnisses selbst geworben hat.

BGH Urteil vom 26.02.2009 – I ZR 28/06

Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Beklagte, der heute als selbständiger Versicherungsmakler tätig ist, reichte seit 1991 Versicherungsverträge für von ihm geworbene Kunden über die Versicherungsagentur seines Vaters bei der Rechtsvorgängerin der klagenden Versicherung ein, für die sein Vater seit 1966 als Versicherungsvertreter tätig war. Mit Schreiben vom 14.07.2004 kündigte die Klägerin das Generalagenturverhältnis mit dem Vater des Beklagten. Nach der Auflösung des Generalagenturverhältnisses schrieb der Beklagte rund 450 in der Vergangenheit von ihm betreute Kunden der Agentur seines Vaters an mit dem Ziel, ihnen neue Versicherungsverträge zu vermitteln. Die Klägerin sah darin ein unlauteres Verhalten und behauptet, der Beklagte sei als Angestellter seines Vaters tätig geworden. Die Klägerin hat den Beklagten auf Auskunftserteilung, Schadensersatz sowie auf Unterlassung und Löschung der von ihm gespeicherten Kundendaten sowie Herausgabe der Kundenunterlagen in Anspruch genommen. Der Beklagte hat dem gegenüber geltend gemacht, die angeschriebenen Kunden habe er in seiner Eigenschaft als freier Makler geworben. Er habe nicht die Unterlagen der Agentur seines Vaters, sondern ausschließlich seine eigenen Aufzeichnungen über die von ihm geworbenen Kunden verwendet.

Nachdem das erstinstanzliche Landgericht Heidelberg den Beklagten antragsgemäß verurteilt hatte und sodann in der Berufung das OLG Karlsruhe die Klage abgewiesen hatte, führte die Revision beim Bundesgerichtshof zur Aufhebung und zur Rückverweisung.

Im Wesentlichen begründet der Bundesgerichtshof seine Entscheidung wie folgt:

1. Zunächst verneint der Bundesgerichtshof wie auch das Berufungsgericht einen Verstoß des Beklagten gegen § 17 Abs. 1 UWG, weil nicht nachgewiesen war, dass der Beklagte bei der Klägerin oder bei seinem Vater angestellt gewesen sei. Täter eines Geheimnisverrats nach § 17 Abs. 1 UWG kann nur eine Person sein, die bei dem Unternehmen beschäftigt ist, dem das Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis zusteht. Der Begriff des bei einem Unternehmen Beschäftigten im Sinne von § 17 Abs. 1 UWG ist zwar weit auszulegen. Dennoch fallen selbstständig Gewerbetreibende nicht darunter. Der Beklagte käme als Täter nur in Betracht, wenn er als nicht selbständiger und damit als Angestellter geltender Handelsvertreter im Sinne von § 84 Abs. 2 HGB tätig gewesen wäre. Da der Beklagte aber jedenfalls eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt hatte, schied die Anwendung von § 17 Abs. 1 UWG aus. Daran ändert allein die Untervermittlerrolle des Beklagten als Untervertreter eines Handelsvertreters, seines Vaters, nichts. Entscheidend ist also allein, ob der Vertreter eine selbständige Tätigkeit ausübt oder nicht.

2. Anders als das OLG Karlsruhe hielt der Bundesgerichtshof es aufgrund des festgestellten Sachverhaltes jedoch nicht für ausgeschlossen, dass ein Verstoß gegen § 17 Abs. 2 UWG vorliegt.

a) Der BGH sieht ebenso wie das Berufungsgericht in den betreffenden Kundendaten ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis im Sinne von § 17 Abs. 2 UWG und erläutert, dass hierunter jede im Zusammenhang mit einem Betrieb stehende Tatsache zu verstehen ist, die nicht offenkundig, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist und nach dem bekundeten, auf wirtschaftlichen Interessen beruhenden Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden soll. Kundendaten eines Unternehmens können ein Geschäftsgeheimnis darstellen, wenn sie den Kunden betreffen, zu denen bereits eine Geschäftsbeziehung besteht und die daher auch in Zukunft als Abnehmer der angebotenen Produkte in Frage kommen. Dabei darf es sich nicht lediglich um Angaben handeln, die jederzeit ohne großen Aufwand aus allgemein zugänglichen Quellen erstellen werden können.

b) Jedoch widerspricht der BGH dem Berufungsgericht, welches ein unbefugtes Verschaffen des Beklagten im Sinne von § 17 Abs. 2 UWG allein mit der Begründung verneint hatte, dass es sich um Daten von Kunden handelt, die der Beklagte selbst geworben hatte.

Der BGH stellt zunächst klar, dass allein die während der Tätigkeit des Beklagten für die Agentur seines Vaters bestehende Kenntnis von den Kundendaten ein unbefugtes Verschaffen nicht ausschließt. Der BGH führt seine Rechtssprechung fort, wonach ein ausgeschiedener Mitarbeiter zwar die während seiner Beschäftigungszeit erworbenen Kenntnisse auch später unbeschränkt verwenden darf, wenn er keinem Wettbewerbsverbot unterliegt. Dies gilt allerdings nur für Informationen, die er in seinem Gedächtnis bewahrt oder auf die er aufgrund anderer Quellen zugreifen kann, zu denen er befugtermaßen Zugang hat. Die erforderliche Berechtigung, erworbene Kenntnisse nach Beendigung des Dienstverhältnisses auch zum Nachteil des früheren Dienstherrn einzusetzen, bezieht sich dagegen nicht auf Informationen, die dem ausgeschiedenen Mitarbeiter nur deswegen noch bekannt sind, weil er auf schriftliche Unterlagen zurückgreifen kann, die er während der Beschäftigungszeit angefertigt hat. Liegen dem ausgeschiedenen Mitarbeiter derartige schriftliche Unterlagen – beispielsweise in Form privater Aufzeichnungen oder in Form einer auf dem privaten Notebook abgespeicherten Datei – vor und entnimmt er ihnen ein Geschäftsgeheimnis seines früheren Arbeitgebers, liegt ein unbefugtes Verschaffen dieses Geschäftsgeheimnis im Sinne von § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG vor.

Nach Ansicht des BGH betrifft das Verwertungsverbot aus § 90 HGB grundsätzlich alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die dem ausgeschiedenen Handelsvertreter während des Vertragsverhältnisses bekannt geworden sind. Deshalb sei es für die Beurteilung nach § 17 Abs. 2 UWG ohne Belang, dass dem Beklagten die Namen der von ihm angeschriebenen Kunden deshalb bekannt waren, weil er diese selbst geworben und über die Agentur seines Vaters an die Klägerin vermittelt hat. Hierzu werden zwar in der handelsrechtlichen Literatur abweichende Ansichten vertreten, wonach die einen im Falle der Beendigung des Handelsvertretervertrages grundsätzlich ein vorrangiges Verwertungsinteresse des Handelsvertreters gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse des Unternehmers an den Kundendaten annehmen, andere eine Interessenabwägung zwischen Geheimhaltungsinteresse des Unternehmers und Verwertungsinteresse des Handelsvertreters im Einzelfall vornehmen wollen oder wieder andere eine branchenfremde Verwertung der Daten durch den Handelsvertreter immer für zulässig erachten. Der BGH lehnt diese Stimmen ab und hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach für eine Interessenabwägung im Rahmen des § 90 HGB kein Raum sei. Seine Ansicht begründet er damit, dass der Handelsvertreter gemäß § 667 BGB verpflichtet sei, nach Beendigung des Vertragsverhältnisses alle Kundenanschriften an den Unternehmer herauszugeben und sich die Herausgabepflicht sich auf alles beziehe, was der Handelsvertreter aus seiner Tätigkeit für den Unternehmer erlangt habe und demnach auch die Daten solcher Kunden erfasse, die der Handelsvertreter selbst geworben hat. Zwar stand der Kläger mit der Beklagten nicht in einem direkten Vertragsverhältnis jedoch bestand eine mittelbare Verpflichtung des Beklagten, da dieser jedenfalls seinem Vater herausgabepflichtig war.

Dem Verwertungsverbot nach § 17 Abs. 2 UWG, das BGH aus § 90 HGB herleitet, unterliegen nicht nur angestellte Handelsvertreter im Sinne von § 84 Abs. 2 HGB, sondern auch Handelsvertreter, die eine selbstständige Tätigkeit ausüben im Sinne von § 84 Abs. 1 S. 2 HGB. Nach § 90 HGB darf der selbstständige Handelsvertreter Geschäfte und Betriebsgeheimnisse, die ihm anvertraut oder als solche durch seine Tätigkeit für den Unternehmer bekannt geworden sind, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht verwerten oder anderen mitteilen, soweit dies nach den gesamten Umständen der gesamten Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmanns widersprechen würde. Einem Verwertungsverbot unterliegt hingegen nicht der selbstständige Versicherungsmakler, der Kunden als Versicherungsmakler im Sinne von § 59 Abs. 3 VVG vermittelt hat. Denn die Kunden, die ein Versicherungsmakler über die Agentur vermittelt hätte, wären auch seine Kunden, weil der Versicherungsmakler im Auftrag des Kunden tätig wird, wie sich auch aus § 59 Abs. 3 VVG ergibt. Demnach bestünde für den Versicherungsmakler anders als beim Versicherungsvertreter in diesem Falle keine Herausgabeverpflichtung bezüglich der Kundendaten, so dass insoweit kein Verstoß gegen § 17 Abs. 2 UWG vorläge. Da das Berufungsgericht bislang nicht geklärt habe, ob der Beklagte damals als selbständiger Versicherungsmakler oder Versicherungsvertreter gehandelt habe, verwies der BGH den Rechtsstreit zur Klärung dieser Tatsachenfrage an das OLG Karlsruhe zurück.

BGH Urteil vom 26.02.2009