Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 15.04.2011, Az. II ZR 202/09, entschieden, dass bei Immobilien, bei denen es vordringlich um Sicherheit, Rentabilität und Inflationsschutz geht, das Bestehen von Handlungsvarianten nicht geeignet ist, die auf der Lebenserfahrung beruhende tatsächliche Vermutung der Ursächlichkeit fehlerhafter Prospektdarstellungen für die Anlageentscheidung zu entkräften.
Der Kläger hatte sich an einem Grundstück-Fonds beteiligt, der in sozialen Wohnungsbau investierte. Die Beklagte war Gründungsgesellschafterin dieses Fonds. Ihre Anteile wurden mehrheitlich vom Land Berlin gehalten.Die Differenz zwischen der Kostenmiete und der niedrigeren Sozialmiete wurde zum Teil durch das Land ausgeglichen. Diese Hilfen wurden in einer ersten Förderphase für 15 Jahre ab Bezugsfertigkeit bewilligt. Es sollte eine 15-jährige „Anschlussförderung“ folgen.Diese wurde 2003 vom Berliner Senat nicht bewilligt. Der Fonds wurde dadurch sanierungsbedürftig.
Der Kläger machte daraufhin geltend, dass die Beklagte wegen Prospektmängeln verpflichtet sei, ihn von sämtlichen Verbindlichkeiten aus der Beteiligung freizustellen, sowie die Feststellung, dass die Beklagte zum Ersatz etwaiger weiterer Schäden verpflichtet sei.Das Landgericht gab der Klage statt; das Kammergericht wies sie ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Kammergericht zurück.
Der II. Senat entschied, dass der Prospektfehler für die Anlageentscheidung des Klägers ursächlich geworden sei. Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens greife in diesem Fall: Bei einem zutreffenden Hinweis auf die rechtliche Ungewissheit der Anschlussförderung wäre es für einen durchschnittlichen Anlageinteressenten vernünftig gewesen, nicht in dieses Vorhaben zu investieren. Unabhängig von der Anschlussförderung könne der Anleger mit der Anlage zwar Steuern sparen, er riskiere aber, dass der Fonds bei Ausbleiben der Anschlussförderung nach 15 Jahren insolvent würde und damit das investierte Kapital verloren wäre. Dem ständen keine adäquaten Gewinnchancen entgegen.
Diese Vermutung hatte die Beklagte nicht widerlegt. Um sie zu widerlegen, hätte sie darlegen und beweisen müssen, dass der Anleger den unterlassenen Hinweis unbeachtet gelassen hätte. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe auch andere Risiken hingenommen, so dass ihn auch dieses weitere Risiko nicht von der Zeichnung der Anlage abgehalten hätte, genügte dem BGH dazu nicht. Nach Ansicht der Richter müsse ein Anleger, der schon zahlreiche Risiken übernommen hat, nicht ohne Weiteres bereit sein, noch weitere Risiken zu übernehmen.