BGH: Haftung auch für externe Prospektinhalte

2019-03-12T12:29:03+00:0017. November 2011|

Der Bundesgerichtshof entschied am 17.11.2011, Az. III ZR 103/10, dass auch ein körperlich von dem ausdrücklich als Emissionsprospekt bezeichneten Druckwerk getrenntes Schriftstück, das zusammen mit diesem vertrieben wird, bei der gebotenen Gesamtbetrachtung Bestandteil eines Anlageprospektes im Rechtssinn sein kann.

Der dritte Senat verschärfte dabei zugleich das Haftungsrisiko für Prominente, die wegen einer Werbung für letztlich gescheiterte Kapitalanlagemodelle in bestimmten Situationen haften können. Betroffen seien vor allem Prominente und Politiker, die in der Werbung ihre Sachkunde herausstellen. Im Streit um Schadensersatzforderungen von Anlegern des inzwischen abgewickelten MSF Master Star Fund Deutsche Vermögensfonds hat Ex-Bundesverteidigungsminister Prof. Dr. Rupert Scholz eine Niederlage vor dem BGH erlitten.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsstreit hatte der Rechtsprofessor Scholz verschiedenen Branchenblättern Interviews gegeben, in denen er den Fonds lobte. Darin hieß es etwa: „Mich hat die Beachtung aller denkbaren Anlegerschutzregelungen, die das Fondskonzept auszeichnet, beeindruckt.“ Oder: „Erst nach einer genauen Prüfung der Strukturen und der Personen habe ich meine persönliche Mitwirkung und Unterstützung zugesagt. Denn wir wissen, dass es in der Vergangenheit nicht überall nur gut gelaufen ist. Deshalb musste ein Konzept entwickelt werden, das nicht nur Renditen offeriert, sondern voll durchkontrolliert ist und von unabhängigen und erfahrenen Persönlichkeiten geleitet wird.“

Von diesen Interviews wurden Sonderdrucke angefertigt, die mit dem Emissionsprospekt den Anlageinteressenten übergeben wurden. Doch der Fonds ging insolvent. Daraufhin machten geschädigte Anleger Prospekthaftungsansprüche geltend.

1. Der erkennende Senat entschied, dass es sich bei den mit dem Emissionsprospekt herausgegebenen 80-seitigen „Produktinformation“ und den als Sonderdrucken vertriebenen Presseartikeln um „Bestandteile eines Anlageprospektes“ handele. Es komme weder darauf an, dass die Schriftstücke nicht körperlich mit dem Emissionsprospekt verbunden waren, noch dass sich auf der letzten Seite der „Produktinformation“ der Hinweis befunden habe, dass diese nicht den Emissionsprospekt darstellen würden, sondern erkennbar von Dritten verfasst seien. Das Gericht stellte entscheidend darauf ab, dass alle Druckerzeugnisse gemeinsam vertrieben und gemeinsam zur Gewinnung von Anlegern eingesetzt wurden. Ohne Belang sei es, dass die „Produktinformation“ weder rechtstechnische, noch steuerliche oder finanzmathematische Details enthalten. Vielmehr komme es darauf an, dass die Produkte im Überblick umfassend erläutert würden und insoweit Ergänzungen des Emissionsprospektes darstellten. Da diese eine umfassende informierende Beschreibung der Anlage enthalten würde, seien diese Zusatzinformationen bereits als Prospekt im Rechtssinne zu werten. Gerade auch der Hinweis auf der letzten Seite der „Produktinformationen“ verdeutliche, dass es sich hierbei um eine umfassende – wenn auch vereinfachte – Darstellung der Anlage handele.

Die beiden als Sonderdrucke vertriebenen Zeitschriftenartikel ergänzten laut BGH den Emissionsprospekt sowie die „Produktinformationen“. Sie knüpften ihrem Inhalt nach daran an und vervollständigten das beworbene Anlageprodukt. Da die Zeitschriftenartikel auf diese Weise inhaltlich mit dem als „Produktinformation“ bezeichneten Druckwerk verknüpft seien und gemeinsam mit dem Emissionsprospekt vertrieben wurden, wurden sie ebenfalls Bestandteil des Anlageprospekts.

2. Der Senat entschied, dass der Beklagte als Prospektverantwortlicher der Prospekthaftung im engeren Sinn unterläge. Betroffen seien auch diejenigen, die mit Rücksicht auf ihre allgemein anerkannte und hervorgehobene berufliche und wirtschaftliche Stellung oder in ihrer Eigenschaft als berufsmäßiger Sachkenner nach eine Garantenstellung zukäme. Voraussetzung sei allerdings, dass ihr Mitwirken am Emissionsprospekt nach Außen träte und ein zusätzlicher besonderer Vertrauenstatbestand geschaffen werde. Das verschärfte Haftungsrisiko des Beklagten hat der BGH in diesem Fall auf die juristische Sachkunde des Werbenden gestützt. Ihm komme in der Gesamtschau die Stellung eines Prospektverantwortlichen zu. Er habe sich in der Werbung „inhaltlich mit dem Produkt auseinandergesetzt und den Eindruck erweckt, auf das Konzept – über die üblichen Kompetenzen eines Sonderfachmanns deutlich hinausgehend – Einfluss genommen zu haben“. Der Inanspruchnahme stände auch nicht entgegen, dass sich die Äußerungen überwiegend auf das Gesamtbild der Anlage bezögen und nicht einzelne Details beträfen. Die „Schaffung der positiven Anlagestimmung und der Erzeugung eines Gefühls der Sicherheit“ könne bei Anlegern den Ausschlag zur Zeichnung geben.

Der Rechtsstreit wurde vom BGH an das Oberlandesgericht Karlsruhe zur weiteren Aufklärung und Entscheidung zurückverwiesen. Scholz hatte vor Gericht bestritten, dass er eingewilligt habe, dass die Interviews zu Werbezwecken verwendet werden. Diese Frage muss nun noch geprüft werden.