BFH: Umsatzsteuer bei Fonds- und Versicherungsvertrieb

2019-04-11T12:56:25+00:009. Oktober 2008|

§ 4 Nr. 8 Buchst. f UStG, wonach die Vermittlung von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen von der Umsatzsteuer befreit sind, enthält keine allgemeine Steuerbefreiung für Leistungen beim Vertrieb von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen, sondern erfasst nur die Vermittlung von Umsätzen mit derartigen Anteilen. Die steuerfreie Vermittlung muss sich auf einzelne Geschäftsabschlüsse beziehen. Die Steuerfreiheit der Betreuung, Schulung und Überwachung von Versicherungsvertretern nach § 4 Nr. 11 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer, der diese Leistungen übernimmt, durch Prüfung eines jeden Vertragsangebots zumindest mittelbar auf eine der Vertragsparteien einwirken kann, wobei auf die Möglichkeit, eine solche Prüfung im Einzelfall durchzuführen, abzustellen ist. Die einmalige Prüfung und Genehmigung von Standardverträgen und standardisierten Vorgängen reicht entgegen dem BMF-Schreiben vom 9. Oktober 2008 (BStBl I 2008, 948) nicht aus.

Der Entscheidung des BFH lag folgender Fall zugrunde:

Der Kläger war aufgrund eines Handelsvertretervertrages für eine Vertriebsgesellschaft als Handelsvertreter tätig. Nach dem Handelsvertretervertrag übertrug diese Vertriebsgesellschaft dem Kläger die Vermittlung von Fonds eines Emissionshauses. Der Kläger hatte sich um die Vermittlung von Geschäften zu bemühen und war verpflichtet, das Interesse der Vertriebsgesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes zu wahren. Er sollte der Vertriebsgesellschaft nach besten Kräften alle für die Förderung des Geschäfts erforderlichen Nachrichten geben, namentlich ihr von jedem Auftrag unverzüglich Meldung machen. Der Kläger hatte die ihm zugeordneten Vertriebspartner regelmäßig zu besuchen und auf der Grundlage der Produktinformationen der Firma fortlaufend über die Entwicklung der Fondsprodukte zu unterrichten. Die Provision des Klägers für die durch seine Vermittlung rechtsverbindlich zustande gekommenen Beteiligungen bestimmte sich nach der Höhe der vom jeweiligen Anleger gezeichneten Fondsbeteiligung. Die Voraussetzungen des Provisionsanspruchs und seine Fälligkeit ergaben sich aus den dem Vertrag als Anlage beigefügten Provisionsbedingungen des Emissionshauses über atypisch stille Beteiligungen sowie Kommanditbeteiligungen.

Aufgrund einer Umsatzsteuersonderprüfung ging das Finanzamt davon aus, dass der Kläger umsatzsteuerpflichtige Leistungen, nicht aber nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG steuerfreie Vermittlungsleistungen erbracht habe und erließ dementsprechende Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide.

Hiergegen legte der Kläger zunächst erfolglos Einspruch und sodann Klage vor dem Finanzgericht und schlussendlich und jedoch ebenfalls erfolglos Revision vor dem Bundesfinanzhof ein.

Der Bundesfinanzhof wies die Revision des Klägers im Wesentlichen mit folgender Begründung zurück:

Die vom Kläger erbrachten Leistungen erfüllten nicht den Vermittlungsbegriff im Sinne einer richtlinienkonformen Auslegung des § 4 Nr. 8 Buchst. f) UStG nach der diesbezüglichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 bis 5 der Richtlinie 77/388/EWG enthalte keine allgemeine Steuerbefreiung für Vertriebsleistungen, die dem Absatz von Finanzprodukten dienen. Die Steuerfreiheit beschränke sich vielmehr auf die Vermittlung der in diesen Bestimmungen bezeichneten Finanzdienstleistungen. Danach bestehe die Vermittlung darin, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag über das jeweilige Finanzprodukt abschließen. Die Vermittlung könne in einer Nachweis-, einer Kontaktaufnahme- oder in einer Verhandlungstätigkeit bestehen. Gemeinsames Merkmal dieser Mittlertätigkeiten sei der Bezug zu einzelnen Wertpapier- oder Anteilsumsätzen. Sowohl der Nachweis von Gelegenheiten zum Abschluss eines Vertrages als auch die Kontaktaufnahme mit der anderen Partei oder das Verhandeln über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen setzten voraus, dass sich die Mittlertätigkeit auf ein einzelnes Geschäft, das vermittelt werden soll, beziehe. Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers habe aber weder darin bestanden, dem Verkäufer der Kapitalanlagen Gelegenheiten zum Abschluss von Verträgen nachzuweisen noch mit Interessenten Kontakt aufzunehmen oder Verhandlungen zu führen. Vielmehr habe der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers in der Anwerbung, Schulung und Fortbildung sowie die Betreuung, Unterstützung, Überwachung, Koordination und Organisation der Regionaldirektoren und Abschlussvertreter bestanden. Letztere Tätigkeiten sollen jedoch nicht unter den sich nach richtlinienkonformer Auslegung und der Rechtsprechung des EuGH ergebenden Vermittlungsbegriff fallen.

Auch aus der Freiheit des Organisationsmodells ergäbe sich keine über die Vermittlung von Einzelabschlüssen hinausgehende Steuerfreiheit für Vertriebstätigkeiten allgemeiner Art. Zwar könne danach die Vermittlung in verschiedene einzelne Dienstleistungen zerfallen, die dann ihrerseits als Vermittlung steuerfrei sind. Dies gälte jedoch nach der EuGH-Rechtsprechung nur, wenn es sich bei der einzelnen Leistung um ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes handelt, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen der Vermittlung erfüllt. Da somit auch Leistungen im Rahmen einer arbeitsteiligen Vermittlung als eigenständiges Ganzes die spezifischen und wesentlichen Funktionen der Vermittlung erfüllen müssen, sind sie nur steuerfrei, wenn der jeweilige Vermittler eine Mittlertätigkeit ausübt, die sich auf einzelne Wertpapier- oder Anteilsumsätze bezieht. Dieses sei nach der Rechtsprechung des EuGH im Urteil Ludwig in BFH/NV Beilage 2007, 398, UR 2007, 617 der Fall, wenn ein Untervermittler verbindliche Vertragsangebote einzelner Interessenten einholt und diese an den Hauptvermittler übermittelt, der sie dann nach eigener Kontrolle an das Finanzinstitut weiterleitet.

Der Kläger könne zudem die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. f) UStG nicht aus dem zu § 4 Nr. 11 UStG – der Umsatzsteuerbefreiung im Bereich der Versicherungsvermittlung – ergangenen Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 09.10.2008 in BStBl I 2008, 948 herleiten. Zunächst deutet der BFH an, dass sowohl § 4 Nr. 11 UStG und § 4 Nr. 8 Buchst. f) einheitlich auszulegen seien, lässt diese Frage aber offen. Der BFH bestätigt sodann seine Rechtsprechung, wonach nach § 4 Nr. 11 UStG die Betreuung, Schulung und Überwachung von Versicherungsvertretern nur dann umsatzsteuerbefreit seien, wenn der Unternehmer durch Prüfung eines jeden Vertragsangebotes mittelbar auf eine der Vertragsparteien einwirken kann. Hierbei sei – wie auch dem BMF Schreiben vom 09.10.2008 zu entnehmen sei – auf die Möglichkeit abzustellen, eine solche Prüfung im Einzelfall durchzuführen. Soweit sich aus dem BMF Schreiben vom 09.10.2008 ergibt, dass Betreuung, Überwachung oder Schulung von nachgeordneten selbständigen Vermittlern auch dann steuerfrei sein sollen, wenn bei „Verwendung von Standardverträgen und standardisierten Vorgängen der Unternehmer durch die einmalige Prüfung und Genehmigung der Standardverträge und standardisierten Vorgänge mittelbar auf eine der Vertragsparteien einwirken kann“, widerspricht der BFH dem BMF Schreiben. Denn es handele sich insoweit um Leistungen, die im Schwerpunkt durch nach der EuGH-Rechtsprechung steuerpflichtige Leistungselemente geprägt seien, die im Halten der Kontakte mit Versicherungsvertretern und in der Weitergabe von Informationen an diese bestünden.

Letztlich betont der BFH, dass sich die Steuerfreiheit auch nicht aus einer erfolgsabhängigen Vergütungsregelung ergeben könne. Eine weitergehende Steuerfreiheit für Leistungen, die keinen spezifischen und wesentlichen Bezug zu einzelnen Vermittlungsgeschäften aufweisen, sondern allenfalls dazu dienen, einen anderen Unternehmer, der Vermittlungsleistungen erbringt, zu unterstützen, bestehe nicht. Eine Steuerfreiheit für „vertriebsunterstützende Aufgaben“ wie z.B. die „Administration einer Vertriebsorganisation“ ohne „Beteiligung an der konkreten einzelfallbezogenen Maklertätigkeit der angeschlossenen Vermittler“ und somit für „administrative Tätigkeiten ohne unmittelbaren Bezug zu konkreten steuerfreien Wertpapierumsätzen“ komme nicht in Betracht, da dies eine über den Vermittlungsbegriff der Richtlinie 77/388/EWG hinausgehende Steuerbefreiung für allgemeine Vertriebstätigkeiten voraussetzen würde, die die Richtlinie aber nicht vorsieht.

BFH Urteil vom 30.10.2008