BGH zur Haftung des Anlageberaters bei Bewertung eines Anlageobjekts

2019-04-18T11:59:07+00:0021. März 2006|

Die Bewertung und Empfehlung eines Anlageobjekts durch ein Kreditinstitut muss ex ante betrachtet vertretbar sein. Das Risiko, dass sich eine nach ordentlicher Beratung getroffene Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Kunde.

Der BGH (Urteil vom 21.03.2006 – XI ZR 63/05) hat zur Frage des Zustandekommens eines Anlageberatungsvertrages sowie zu den hieraus folgenden Aufklärungs- und Beratungspflichten Stellung genommen. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Kläger zunächst bei der beklagten Bank ein Depot eröffnet und Aktien- und Immobilienfonds erworben. Nach anfänglichen Kursgewinnen setze ein Kursverfall ein, weshalb sich der Kläger vor Erreichen der Verlustschwelle bei der Beklagten erneut erkundigte, ob ein Verkauf der Depotwerte ratsam sei. Die Beklagte äußerte ihre Erwartung, dass sie mit wieder steigenden Kursen rechne und riet von einem Verkauf ab. Nachdem sich der Kursverfall fortsetzte, verkaufte schließlich der Kläger die Depotwerte mit einem Kursverlust, den er von der Beklagten als Schadenersatz ersetzt verlangt. Das Landgericht hatte die Klage als unbegründet abgewiesen. Dagegen hatte das Berufungsgericht der Klage stattgegeben. Der Bundesgerichtshof hielt die von der Beklagten eingelegte Revision für begründet und lehnte eine Schadenersatzverpflichtung der Beklagten ab.

Voraussetzungen für eine Schadenersatzhaftung wegen fehlerhafter Anlageberatung sind unter anderen insbesondere das Zustandekommen eines entsprechenden Beratungsvertrages sowie das Vorliegen einer Beratungspflichtverletzung.

1. Beratungsvertrag

Der Bundesgerichtshof erläutert, wann regelmäßig ein Anlageberatungsvertrag zwischen einem Kreditinstitut und einem Kunden zustande kommt. Tritt ein Anleger an eine Bank heran, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgespräches angenommen. Ein entsprechender Beratungsvertrag kommt bereits dadurch zustande kommt, dass sich der Anleger bei dem Berater danach erkundigt, ob ein Verkauf seiner Depotwerte ratsam sei, und der Berater ihm sodann einen Rat erteilt. Gleiches gilt, wenn ein Kunde nach bereits getroffener Anlageentscheidung sich bei der Bank erkundigt, wie er sich angesichts fallender Kurse verhalten soll. Hingegen seien keine fortdauernden Überwachungs- oder Beratungspflichten aus einem vor Erwerb der Anlage geschlossenen Anlageberatungsvertrag anzunehmen. Eine Nachwirkung der Überwachungs- oder Beratungspflichten folge auch nicht bereits aus einem Depotvertrag.

2. Beratungspflichtverletzung

Grundsätzlich hängt, so der BGH, der Inhalt und Umfang der Beratungspflichten von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Anlageberatung, aus der sowohl Aufklärungspflichten als auch Beratungspflichten resultieren, hat anleger- und objektgerecht zu sein. Maßgebliche Umstände sind auf der einen Seite der Wissenstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und auf der anderen Seite die allgemeinen Risiken, wie die Konjunkturlage, die Entwicklung des Kapitalmarktes und die speziellen Risiken, die sich aus den besonderen Umständen des Anlageobjekts ergeben. Über diese Umstände ist vollständig und richtig aufzuklären. Der BGH verneinte eine Aufklärungspflichtverletzung, da eine ausreichende Aufklärung bereits zur Zeit des damaligen Erwerbs der Anlageobjekte erfolgt war und eine erneute Aufklärung im Falle der vorliegenden Raterteilung über einen Verkauf des Anlageobjekts nicht erforderlich sei. Ebenfalls verneinte der Bundesgerichtshof das Vorliegen einer Beratungspflichtverletzung, welche dann in der Bewertung und Empfehlung eines Anlageobjektes bestehen kann, wenn der erteilte Rat aus damaliger Sicht („ex ante“) betrachtet nicht vertretbar ist. War zur Zeit der Raterteilung der zukünftige Kursverlauf nicht vorhersehbar und geht der Berater aufgrund seiner Erfahrung und seiner langjährigen Beobachtung der Kursentwicklung von einem bestimmten Kursverlauf aus, so handelt er nicht pflichtwidrig, wenn er seinem Rat die von ihm angenommene Kursentwicklung zugrunde legt. Das Risiko, dass sich eine hierauf basierende Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt jedoch der Kunde. Des Weiteren muss die beratende Bank nicht auf Selbstverständlichkeiten hinweisen, wie etwa darauf, dass nicht absehbar sei, ob ein Kursverfall beendet sei oder nicht. Angesichts der damaligen Unsicherheit über die weitere Kursentwicklung sei es zudem selbstverständlich, dass unterschiedliche Meinungen über den weiteren Kursverlauf bestehen. Hierauf muss die beratende Bank ebenfalls nicht hinweisen.