Entschädigungsfall Phönix / VG Berlin stoppt vorläufig EdW

2019-04-11T13:01:27+00:0026. September 2008|

Die Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen (EdW) darf vorerst nicht mit der Zahlung der Sonderbeiträge zur Finanzierung der Entschädigung von Anlegern wegen der sog. Phoenix-Pleite durch die der EdW zugeordneten Institute rechnen. In mehreren gleich gelagerten Beschlüssen vom 17.09.2008 hat das Verwaltungsgericht Berlin die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die Sonderbeitragsbescheide der EdW angeordnet.

Die EdW hatte jeweils mit Bescheiden vom 18.12.2007 in einer ersten Tranche die Sonderbeiträge zur Erfüllung von Anlegerentschädigungsansprüchen im Zusammenhang mit der Insolvenz der Phönix Kapitaldienst GmbH festgesetzt. Hiergegen hatte die Mehrzahl der EdW zugeordneten Institute Widerspruch eingelegt und darüber hinaus bei der EdW erfolglos die Aussetzung der sofortigen Vollziehung beantragt, um eine Zahlung und damit eine Vollziehung bzw. sogar eine Vollstreckung der Beitragsbescheide zu verhindern. Gegen die Zurückweisung der Aussetzungsanträge richteten sich die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Das Verwaltungsgericht Berlin gab nunmehr diesen Anträgen statt und ordnete die aufschiebende Wirkung der Widersprüche an. Dies bedeutet, dass die entsprechenden Antragsteller zunächst die angeforderten Sonderbeiträge nicht zu zahlen haben. Das Verwaltungsgericht stützt seine Entscheidung erstens darauf, dass die Sonderbeiträge im Zeitpunkt ihrer Erhebung noch nicht fällig gewesen seien, zweitens darauf, dass weder das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (EAEG) noch die Verordnung über die Beträge zur Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (Beitragsverordnung) eine Rechtsgrundlage dafür böten, Sonderbeiträge als Vorauszahlungen zu erheben, bevor Entschädigungsansprüche festgestellt oder ausgezahlt worden seien. Drittens sei die Verordnungsermächtigung für Sonderbeiträge im EAEG in wesentlichen Punkten zu unbestimmt und entspräche nicht dem aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Bestimmtheitsgebot. Zudem sei zweifelhaft, ob das Gesetz eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Artikel 80 Grundgesetz entsprechende Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung enthalte. Schließlich äußerte die Kammer Zweifel an der Höhe der jeweils geforderten Beträge, die im Einzelfall die Grenze des abgabenrechtlich Zumutbaren überschreiten könne. Das Verwaltungsgericht stützt seine Entscheidung im Einzelnen auf folgende Erwägungen:

1. Mittelbedarf trotz Ansprüche der EdW gegen Wirtschaftsprüfer und Bafin

Zunächst stellt das Verwaltungsgericht klar, dass den Anlegern der Phönix Managed Accounts Entschädigungsansprüche gegen die EdW gemäß § 3 Abs. 1 EAEG zustehen, da Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften gegenüber den Anlegern vorliegen. Insoweit wertet das Gericht die Phönix Managed Accounts als Finanzkommissionsgeschäfte. Das Gericht führt zudem aus, dass es keine Zweifel daran hat, dass die EdW trotz möglicher Ansprüche gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) weiterhin Mittel benötigt, um entsprechende Anleger und damit Gläubiger des Instituts Phönix entschädigen zu können, zumal das Gericht nicht von einem Anspruch der EdW gegen die Bafin wegen unzureichender Maßnahmen gegen die Phönix Kapitaldienst GmbH ausgeht. Letztlich verneint das Gericht auch etwaige Amtshaftungsansprüche der Finanzdienstleistungsinstitute gegen die EdW und damit eine rechtsmissbräuchliche Erhebung des Sonderbeitrages.

2. Mangelnde Fälligkeit der Sonderbeiträge bei Erlass des Beitragsbescheides

Das Verwaltungsgericht Berlin sieht allerdings ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Sonderbeitragsbescheide in Bezug auf deren Fälligkeit der Sonderbeiträge bei Erlass der Sonderbeitragsbescheide. Danach böten weder das EAEG noch die Beitragsverordnung eine Rechtsgrundlage dafür, Sonderbeiträge bereits zu erheben, wenn zwar absehbar ist, dass das Entschädigungsvolumen die vorhandenen Mittel der Entschädigungseinrichtung übersteigen wird, wenn aber Entschädigungsansprüche – geschweige denn in einer die vorhandenen Mittel übersteigenden Umfang – weder festgestellt noch ausgezahlt wurden. Nach § 8 Abs. 2 Satz 4 EAEG sind Sonderbeiträge zu erheben und Kredite aufzunehmen, wenn dies zur Durchführung des Entschädigungsverfahrens notwendig ist. Diese Notwendigkeit besteht nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Berlin aber nur dann, wenn fällige Entschädigungsansprüche aus den vorhandenen Mitteln der Entschädigungseinrichtung nicht befriedigt werden können. Demnach könnten nur Entschädigungsansprüche berücksichtigt werden, über die abschließend entschieden werden kann. Es muss also eine entsprechende Finanzierungslücke am Ende eines Kalenderjahres feststehen. Bei Erlass der Sonderbeitragsbescheide im Dezember 2007 hatte die EdW jedoch noch nicht mit der Prüfung und abschließenden Feststellung von Entschädigungsansprüchen begonnen und es bestand daher noch keine festgestellte Finanzierungslücke, sondern lediglich eine grobe Schätzung des voraussichtlichen Finanzierungsaufwandes. Dieser wurde während der Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin von der EdW zudem dahin korrigiert wurde, dass der Finanzierungsaufwand in 2008 tatsächlich geringer ausfalle als bei Erlass der Sonderbeitragsbescheide am 18.12.2007 angenommen worden war. Danach hat die EdW der Sache nicht Sonderbeiträge, sondern Vorausleistungen auf künftig entstehende Sonderbeitragspflichten erhoben. Die erforderliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage hierzu fehlt indessen. Das Gericht merkt zudem an, dass es hingegen gegen eine tranchenweise Erhebung von fälligen Sonderbeiträgen keine Bedenken hat.

2. Vereinbarkeit der Regelungen des EAEG zur Erhebung von Sonderbeiträgen mit dem Grundgesetz

Weiter sieht das Verwaltungsgericht Berlin ernstliche Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der Regelungen des EAEG zur Erhebung von Sonderbeiträgen mit dem Grundgesetz. Zunächst äußert das Gericht jedoch die Ansicht, dass die Sonderbeiträge die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Zulässigkeitsvoraussetzungen für Sonderabgaben erfüllen. Das Gericht zweifelt allerdings daran, ob das EAEG in § 8 Abs. 1 bis 3 EAEG hinreichend bestimmte gesetzliche Regelungen zur Sonderabgabenpflicht, insbesondere eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechende Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer Rechtsverordnung bezüglich der Erhebung von Sonderbeiträgen enthält. Die entsprechenden Regelungen des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes erfüllen danach nicht das Gebot hinreichender Bestimmtheit der Gesetze, welches aus dem Rechtsstaatsprinzip aus Artikel 20 Abs. 3 GG, 28 Abs. 1 Satz 1 GG folgt. Danach gilt insbesondere für alle Abgaben der allgemeine Grundsatz, dass die Abgabe begründenden Tatbestände so bestimmt sein müssen, dass der Abgabepflichtige die auf ihn entfallende Abgabe – in gewissem Umfang – vorausberechnen kann. Zudem fordert das Bestimmtheitsgebot im Bereich des Gebühren- und Beitragsrechtes eine dem jeweiligen Zusammenhang angemessenen Regelungsdichte, die eine willkürliche Handhabung durch die Behörden ausschließt. Zudem sieht das Verwaltungsgericht Berlin die Regelungen deshalb als kritisch an, da die Ermächtigungsgrundlage gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG verstößt. Soweit der Gesetzgeber die Festlegung der Abgabepflicht an den Verordnungsgeber delegiert, müssen nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung zum Erlass der Rechtsverordnungen im Gesetz bestimmt werden. Das Gericht bemängelt, dass das EAEG die bei der Erhebung von Sonderbeiträgen zu regelnde Fragen selbst nur unzureichend steuert und in unzulässiger Weise dem Verordnungsgeber und der Verwaltungspraxis überlässt. Das EAEG und insbesondere § 8 Abs. 1 bis 3 EAEG werden diesen Anforderungen nicht gerecht, da keine gesetzliche Vorschriften existieren, die regeln, worauf es genau diese für die Sonderbeitragspflicht ankommen soll, wie der Sonderbeitrag auf die einzelnen Institute umzulegen ist, wann eine Finanzierung durch Sonderbeitrag und wann durch Kredit zu erfolgen hat und ob es für den Sonderbeitrag eine Zumutbarkeitsgrenze geben soll.

3. Vereinbarkeit der Regelungen über den Sonderbeitrag der Beitragsverordnung mit dem Grundgesetz

Zudem sieht das Verwaltungsgericht verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelungen der Beitragsverordnung. Da weder im Gesetz noch in der Beitragsverordnung eine klare Regelung über das Verhältnis zwischen Kreditaufnahme und Sonderbeitragserhebung zu finden ist, liegt es letztlich bei der Entscheidung der entsprechenden Behörde (EdW), ob ein Sonderbeitrag in voller Höhe oder nur in Höhe des laufenden Kreditfinanzierungsaufwandes erhoben wird. Dies widerspricht dem Gebot der normbesteuerten Abgabenerhebung und ist damit verfassungswidrig. Ferner hält das Verwaltungsgericht Berlin die Regelung in § 5 Abs. 3 Beitragsverordnung zur persönlichen Sonderbeitragspflicht mit dem Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Insoweit hält das Gericht die Anknüpfung der persönlichen Sonderbeitragspflicht an die Zugehörigkeit des Institutes zur Zeit der Beitragserhebung für willkürlich und damit für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz. Zudem verstößt das Fehlen einer klaren Begrenzung der Sonderbeitragspflicht gegen Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG, wonach Steuergesetze keine erdrosselnde Wirkung haben dürfen. Insoweit stellt das Verwaltungsgericht Berlin klar, dass § 5 Abs. 4 der Beitragsverordnung keine ausreichende Sicherung gegen unzumutbare Abgabenlasten darstellt. Danach können mit Zustimmung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht von der Verpflichtung zur Leistung von Sonderbeiträgen ganz oder teilweise befreit werden solche Institute, wenn zu befürchten ist, dass durch die Zahlung des Sonderbeitrages in voller Höhe bei diesem Institut der Entschädigungsfall eintreten würde. Eine Regelung über die Abgabenhöhe, die eine Opfergrenze erst zieht, wenn dem Betroffenen die Existenzvernichtung droht, genügt nicht den Anforderungen der Art. 2, 12 und 14 GG an öffentliche Abgaben.

Gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts kann die EdW binnen einer Frist von 2 Wochen nach Bekanntgabe der entsprechenden Beschlüsse Beschwerde einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entscheidet.