Klauseln in Allgemeinen Emissionsbedingungen, nach denen der Emittent von Optionsscheinen die Bedingungen ändern kann, soweit ihm dies angemessen und erforderlich erscheint, um den wirtschaftlichen Zweck der Bedingungen gerecht zu werden, falls die Änderung dazu dienen soll, einen offensichtlichen Irrtum zu berichtigen, sind gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.
So lautet der Leitsatz eines Urteils des 11. Senat des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 30.06.2009, XI ZR 364/08 – OLG Frankfurt/Main, LG Frankfurt/Main), in dem er zur AGB-rechtlichen Wirksamkeit einer Klausel in Allgemeinen Emissionsbedingungen eines Anbieters von Knock-Out-Optionsscheinen Stellung genommen hat.
Die vom Anbieter verwendete Klausel in den Emissionsbedingungen lautete: „Änderungen Die Emittentin kann, soweit nach den jeweils anwendbaren Recht zulässig, die Bedingung ohne Zustimmung einzelner oder aller Gläubiger ändern, soweit ihr dies angemessen und erforderlich erscheint, um den wirtschaftlichen Zweck der Bedingungen gerecht zu werden, falls die Änderung die Interessen der Gläubiger nicht wesentlich nachteilig beeinflusst oder formaler, geringfügiger oder technischer Art ist oder dazu dienen soll, einen offensichtlichen Irrtum zu berichtigen oder eine mangelhafte Bestimmung dieser Bedingungen zu heilen, zu korrigieren oder zu ergänzen. Die Gläubiger werden von solchen Änderungen gemäß Nr. 4 der Allgemeinen Emissionsbedingungen unterrichtet; das Ausbleiben der Unterrichtung oder ihres Zugangs berührt die Wirksamkeit der Änderung jedoch nicht.“
Die beklagte Emittentin, welche von der Klägerin auf restlichen Barausgleich nach Ablauf der emittierten Call-Optionsscheine auf Gold in Anspruch genommen wurde, emittierte im Oktober 2005 auf Gold bezogene und im November 2005 endfällige Knock-Out-Optionsscheine. Nach den Produktbedingungen erhielten die Inhaber der Optionsscheine keine Bezahlung von der Beklagten, falls der Preis für eine Feinunze Gold während der Laufzeit der Optionsscheine auf oder unter 450 US-Dollar fiel (Knock-Out). Andernfalls hatte die beklagte Emittentin einen Barausgleichsbetrag in Höhe der Differenz zwischen dem Goldpreis bei Fälligkeit der Optionsscheine und dem Betrag von 450 US-Dollar, multipliziert mit dem Bezugsverhältnis zwischen einem Optionsschein und einer Unze Gold zu zahlen. Die Emittentin hatte das Bezugsverhältnis irrtümlicherweise mit 1 statt mit 0,1 angegeben. Die Klägerin hatte im November 2005 diese Optionsscheine erworben. Die beklagte Emittentin änderte danach unter Berufung auf ihre Allgemeinen Emissionsbedingungen durch einen Nachtrag im Verkaufsprospekt das Bezugsverhältnis von 1 auf 0,1 und zahlte nach einem Anstieg des Goldkurses und dem Eintritt der Endfälligkeit einen auf dieser Grundlage (0,1) errechneten Barausgleich. Die Klägerin verlangt von der Beklagten den auf Grundlage des Bezugsverhältnisses 1,0 ergebenden höheren Barausgleich.
Die Klage ist in erster sowie in zweiter Instanz erfolglos geblieben. Der Bundesgerichtshof hielt die Revision für begründet und verwies den Rechtsstreit an das Oberlandesgericht zurück.
Der Bundesgerichtshof ist der Ansicht, dass eine Änderung des Bezugsverhältnisses nach der Klausel der Allgemeinen Emissionsbedingungen nicht möglich war, weil diese Klausel, jedenfalls soweit sie eine Änderung der Produktbedingungen zur Berichtigung eines offensichtlichen Irrtums zulässt, gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam ist.
Zunächst erläutert der BGH, dass es sich bei den Allgemeinen Emissionsbedingungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von §§ 305 BGB handelt. Diese unterliegen, wie Anleihebedingungen allgemein zwar nur einer eingeschränkten Einbeziehungskontrolle (BGHZ 163, 311, 314 ff.) sonst aber einer uneingeschränkten gerichtlichen Inhaltskontrolle (vgl. BGHZ 119, 305, 312). Nach § 308 Nr. 4 BGB ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist.
Der BGH erläutert zunächst die Kriterien, die bei der Inhaltskontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB zu beachten sind. Zunächst ist eine Abwägung zwischen den Interessen des Klauselverwenders an der Möglichkeit einer Änderung seiner Leistung und denen des anderen Vertragsteils an der Unveränderlichkeit der vereinbarten Leistung zu beurteilen. Hierbei erscheine ein Änderungsvorbehalt, der sich nicht nur auf die Umstände der Leistungserbringung oder auf Nebenpflichten bezieht, sondern auch Inhalt und Umfang der Hauptleistung betrifft, als besonders nachteilig für den anderen Vertragsteil. Insbesondere die Änderung des Äquivalenzverhältnisses zwischen den beiderseitigen Leistungen kann ein Indiz für die Unzumutbarkeit des Änderungsvorbehaltes sein. Änderungsklauseln müssen ferner dem Grundsatz der Erforderlichkeit genügen. Ein rechtfertigender Grund für eine solche Änderungsklausel fehle insbesondere, wenn der Verwender bei ordnungsgemäßer Geschäftsführung dem Vertragspartner bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Leistung in der geänderten Form hätte versprechen können. Zudem sei erforderlich, dass die Klausel in ihren Voraussetzungen und Folgen für den anderen Vertragsteil zumindest ein gewisses Maß an Kalkulierbarkeit der möglichen Leistungsänderungen gewährleistet. Von Bedeutung sei zudem, dass Änderungsvorbehalte für Kunden gefährlicher als Rücktrittsvorbehalte oder sonstige Befreiungsklauseln seien, weil der Kunde die geänderte Leistung anlehnen und bezahlen muss ohne Schadenersatz zu verlangen oder vom Vertrag zurück treten zu können.
Gemessen an diesen Kriterien sei die Änderungsklausel in den Allgemeinen Emissionsbedingungen unwirksam, soweit sie eine Änderung der Produktbedingungen zur Berichtigung offensichtlicher Irrtümer zulässt.
Denn die Klausel bezieht sich nicht nur auf Nebenpflichten oder einzelne Umstände der Leistungserbringung, sondern betrifft Einschränkungen auf den gesamten Inhalt und Umfang der Hauptleistung und ermöglicht die grundlegende Veränderung des vertraglich vereinbarten Wertverhältnisses zwischen den gegenseitigen im Austauschverhältnis stehenden Leistungen. Für ein so weit reichendes Änderungsrecht bestehe kein rechtfertigender Grund, da die Emittentin bei sorgfältiger Kontrolle ihrer Produktbedingungen offensichtliche Irrtümer bereits vor Vertragsschluss erkennen und ihren Vertragspartnern die Leistung von Anfang an in der eigentlichen Form versprechen konnte.
Auch sei die Klausel nicht ausreichend klar hinsichtlich der Kalkulierbarkeit der möglichen Leistungsänderungen. Dies mache das Änderungsrecht lediglich von einem offensichtlichen Irrtum abhängig, grenzt aber die zulässigen Änderungen inhaltlich gegenständlichen in keiner Weise ein. Der Vertragspartner müsse deshalb ohne jede Einschränkung mit den umfassenden Änderungen der gesamten von der Emittentin geschuldeten Leistungen rechnen. Auch die Folge eines Änderungsrechts werde in der Klausel nicht weiter konkretisiert.
Zudem weiche die Klausel vom gesetzlichen Leitbild der Irrtumsanfechtung ab. Denn als Anfechtung wegen eines in § 119 BGB bezeichneten Irrtums ist der Kunde nicht mehr an den Vertrag gebunden. Bei dieser Änderungsklausel müsse der Kunde jedoch der Beklagten nach einer Leistungsänderung die geänderte Leistung annehmen und bezahlen ohne sich vom Vertrag lösen oder Schadenersatz verlangen zu können. Daran unterscheide sich die Klausel auch von so genannten Mistrade-Klauseln. Diese eröffnen den Parteien eines Wertpapierkaufs die eng befristete Möglichkeit, sich einseitig vom Vertrag zu lösen, wenn das Geschäft zu einem nicht marktgerechten Preis abgeschlossen wurde.
Nach Abwägung der vorstehenden Kriterien ist das Änderungsrecht der beklagten Anbieterin der Call-Optionen in den Allgemeinen Emissionsbedingungen, ihre Leistung in Fällen offensichtlicher Irrtümer zu ändern, gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam. Dies gilt auch, soweit die Emittentin die Allgemeinen Emissionsbedingungen gegenüber Unternehmern verwendet (§ 310 Abs. 1 Satz 2 BGB). Aufgrund der genannten insgesamt unzumutbaren Auswirkungen, die die Klausel für Vertragspartner der Emittentin mit sich bringt, sei im kaufmännischen Verkehr, der in besonderer Weise auf eine exakte Einhaltung der vereinbarten Leistung angewiesen sein kann, von einer unangemessenen Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 und Abs. 2 auszugehen.