Die Erhebung der Jahresbeiträge in den Jahren 1999 bis 2001 auf Grundlage von § 8 Abs. 2, 3 des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes (EAEG) in Verbindung mit der Beitragsverordnung verletzt nicht die Grundrechte der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, der Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG oder den allgemeinen Gleichheitssatz.
Zwar greife die Beitragserhebung in das Grundrecht der Berufsfreiheit ein und bedarf einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, die mit der Verfassung im Einklang steht. Jedoch sei von der Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage aus § 8 des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes („EAEG“) zumindest für den Zeitraum von 1999 bis 2001 auszugehen. Die Jahresbeiträge sind Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion und erfüllten die besonderen Anforderungen, die sich aus den Schutz- und Begrenzungsfunktionen der Finanzverfassung für derartige nur ausnahmsweise zulässige Sonderabgaben ergeben.
Die Jahresbeiträge verfolgen einen Sachzweck, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht. Denn die zwingende Zuordnung zu einer Entschädigungseinrichtung sei Teil der gesetzlichen Finanzmarktregulierung und nach der dem EAEG zugrunde liegenden Anlegerentschädigungsrichtlinie stehe der Schutz der Anleger und die Erhaltung des Vertrauens in das Finanzsystem als wichtige Aspekte der Vollendung und des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts im Vordergrund.
Die weiterhin erforderliche Homogenität der belasteten Gruppe liege ebenfalls vor. Denn die Gruppe der der EdW zugeordneten Wertpapierhandelsunternehmen sei gemeinschaftsrechtlich vorstrukturiert und darin seien alle Unternehmen erfasst, die keine Einlagenkreditinstitute sind aber aufgrund ihrer Erlaubnis Wertpapierdienstleistungen erbringen. Dieses ergäbe sich aus der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, die sich auf Wertpapierfirmen bezieht, von denen nach der Einlagensicherungsrichtlinie die Einlagenkreditinstitute abzugrenzen sind.
Diese homogene Gruppe stehe zudem in der notwendigen spezifischen Beziehung bzw. Sachnähe zu dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck und ihr könne deshalb eine besondere Finanzierungsverantwortung zugerechnet werden. Denn nach der Anlegerentschädigungsrichtlinie bestehe eine Grundpflicht des Anschlusses aller zu Wertpapiergeschäften zugelassener Unternehmen an ein Entschädigungssystem. Diese Grundpflicht begründe eine besondere Sachnähe der Wertpapierhandelsunternehmen zu den Schutzzielen der Anlegerentschädigung.
Das Gericht hält es mit den Anforderungen an Sachnähe und Finanzierungsverantwortung einer homogenen Gruppe vereinbar, dass der Gesetzgeber für diese Gruppe keine einheitliche Entschädigungseinrichtung für alle Einlagenkreditinstitute und Wertpapierhandelsunternehmen geschaffen hat. Die nach § 6 EAEG bestehende Dreiteilung der Entschädigungssysteme lag für den streitgegenständlichen Zeitraum von 1999 bis 2001 im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes bei Erlass des EAEG in 1998. Denn diese Dreiteilung war angesichts der historischen Entwicklung der Einlagensicherung in Deutschland und der gemeinschaftsrechtlichen Regelung der Finanzmärkte sach- und zweckgerecht. Während die Einlagenkreditinstitute sich nach der Herstatt-Bank-Pleite im Jahre 1974 freiwillig im Jahre 1976 Einlagensicherungseinrichtungen schufen, gab es keine vergleichbare Einrichtung bei der Wertpapierhandelsunternehmen. Es hatte sich bereits eine markante Untergruppe der Banken gebildet bevor die Anlegerentschädigungsrichtlinie in Kraft trat und vom Gesetzgeber durch das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz im Jahre 1998 umgesetzt wurde. Des Weiteren stellte die Ausgestaltung funktionsfähiger Entschädigungssysteme eine außerordentlich komplexe Aufgabe dar und der Gesetzgeber betrat 1998 regulatorisches Neuland, auf dem Prognosen und Einschätzungen mit erheblichen Unsicherheiten verbunden waren. Vor diesem Hintergrund war die damalige Bildung unterschiedlicher Institutsgruppen und Entschädigungseinrichtungen gut vertretbar, so das Bundesverfassungsgericht.
Die Verfassungsrichter deuten jedoch ausdrücklich an, dass sich der Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers angesichts der Erfahrungen aus dem Entschädigungsfall Phönix Kapitaldienst GmbH in 2005 ggf. zwischenzeitlich verengt hat. Das Bundesverfassungsgericht weist darauf hin, dass die Sachgerechtigkeit der Aufteilung der Ausfallrisiken auf die unterschiedlichen Institutsgruppen nur im Ansatz begründet sei. Es erscheine insbesondere problematisch, wenn das Maß der Inpflichtnahme der verschiedenen Institutsgruppen durch eine Ausfallhaftung jeweils für ihre eigenen Gruppenangehörigen mittel- und langfristig gravierende Niveauunterschiede aufweist. Das Gericht stellt klar, dass der Gesetzgeber verfassungsrechtlich verpflichtet ist, auf Dauer zu gewährleisten, dass die Kostenbelastung für die Vorsorgemaßnahmen zur Erhaltung des Vertrauens in den Finanzmarkt fair und insgesamt gleich verteilt ist und nicht eine Gruppe mit sehr hohen Kosten belastet wird, während eine andere Gruppe weitgehend verschont bleibt, trotzdem aber zumindest mittelbar Nutzen aus stabilisierenden Maßnahmen anderer ziehen kann.
Dass die Beitragsbelastung im Ergebnis zu einer Verantwortungszurechnung für fremdes Fehlverhalten führt, ändere an der Verfassungsmäßigkeit nichts, da die Finanzmarktrisiken, die durch die Anlegerentschädigung und Einlagensicherung bewältigt werden sollen, nicht nur durch objektive Gegebenheiten sondern auch durch kriminelle Verhaltensweisen einzelner beeinflusst werden.
Vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und seiner Typisierungsbefugnis war zudem gedeckt, auch von den Instituten Jahresbeiträge zu fordern, deren Kundenkreis ausschließlich aus nicht entschädigungsberechtigten Anlegern, d.h. institutionellen Anlegern besteht. Denn der Gesetzgeber dürfe auf die nach der Erlaubnis mögliche und nicht auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit abstellen. Letzteres wäre zudem unpraktikabel. Zudem – so das Gericht – dürften auch diejenigen Institute mit Jahresbeiträgen belastet werden, die nicht befugt sind, sich Eigentum oder Besitz an Geldern ihrer Kunden zu verschaffen, da diese ihre Erlaubnis überschreiten könnten.
Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz
Am 1. August 1998 trat das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (EAEG) in Kraft. Es setzt die 1994 erlassene Einlagensicherungsrichtlinie (Richtlinie 94/19/EG über Einlagensicherungssysteme) sowie die 1997 verabschiedete Anlegerentschädigungsrichtlinie (Richtlinie 97/9/EG über Systeme für die Entschädigung der Anleger) um. Das Gesetz verpflichtet Einlagenkreditinstitute sowie Kreditinstitute und andere Finanzdienstleistungsinstitute, ihre Einlagen und Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften durch die Zugehörigkeit zu einer Entschädigungseinrichtung zu sichern. Es unterscheidet drei verschiedene Institutsgruppen, die entweder der Entschädigungseinrichtung deutscher Banken GmbH oder der Entschädigungseinrichtung des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands GmbH oder der Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen (EdW) zugeordnet sind. Die Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken, sind keiner dieser Institutsgruppen zugeordnet, da sie einer weiterreichenden amtlich anerkannten Institutssicherungseinrichtung unterliegen. Die Entschädigungseinrichtungen haben die Aufgabe, die Beiträge der ihnen zugeordneten Institute einzuziehen und im Entschädigungsfall die Gläubiger für nicht zurückgezahlte Einlagen oder für nicht erfüllte Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften zu entschädigen. Das Gesetz unterscheidet zwischen Jahresbeiträgen, Einmalzahlungen, Erstbeiträgen sowie den Sonderbeiträgen und Sonderzahlungen. Auf der Grundlage des Gesetzes regelt die Verordnung über die Beiträge zu der Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (BeitragsVO) die Höhe der abzuführenden Beiträge. Die Vorschriften zur Beitragserhebung im EAEG und in der BeitragsVO wurden bereits mehrfach geändert und zuletzt im Jahre 2009 erheblich modifiziert. Die letzte Änderung setzte die Änderungsrichtlinie 2009/14/EG zur Änderung der Richtlinie über Einlagensicherungssysteme um. Des Weiteren reagierte der Gesetzgeber damit auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. September 2008. Dieses hatte verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich des EAEG und der BeitragsVO bezüglich der in 2007 erhobenen Sonderbeiträge zur EdW geäußert. Die Sonderbeiträge waren zur Finanzierung des Entschädigungsfalles „Phönix“ erhoben worden. Geändert wurden in 2009 insbesondere die Entschädigungshöchstsummen, die Auszahlung der Entschädigungsleistungen wurde beschleunigt und die Regelungen zur Erhebung der Sonderbeiträge wurden konkretisiert. Insbesondere wurden die Jahresbeiträge um das 3,5 fache angehoben. Die grundsätzliche Risikoverteilung durch Zuordnung der Institute zu unterschiedlichen Entschädigungseinrichtungen mit jeweils voneinander getrennten Entschädigungsaufgaben blieb jedoch unverändert.
Ausblick
Trotz der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und der jüngsten Reform des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungssystems dürfte über seine künftige Struktur und die Rechtmäßigkeit künftiger Beitragserhebungen noch nicht das letzte Wort gesprochen sein. Das Gericht sendet klare Signale an den Gesetzgeber, die Trennung zwischen den 3 Entschädigungseinrichtungen aufgrund der ab 2005 mit dem Entschädigungsfall „Phönix“ gewonnenen Erfahrungen zu überdenken und mittel- und langfristig eine Belastungsgleichheit der verschiedenen Institutsgruppen als Teile einer einheitlichen homogenen Gruppe im Auge zu haben. Auch das vom Bundesministerium der Finanzen in 2008 beauftragte Gutachten zur Reform der Anlegerentschädigungseinrichtungen und Einlagensicherungssysteme in Deutschland (Prof. Dr. Jochen Bigus / Jun.-Prof. Dr. Patrick C. Leyens) widmet sich der bestehenden Dreiteilung der Entschädigungseinrichtungen und schlägt zwischen diesen Überlaufregelungen und alternativ die Schaffung eines einheitlichen Entschädigungssystems vor. Gleichwohl hat der Gesetzgeber diese Vorschläge bei seiner jüngsten Reform nicht umgesetzt. Die Recht- bzw. Verfassungsmäßigkeit künftiger Beiträge für die „Jahre nach Phönix“ – seien es Jahresbeiträge oder Sonderbeiträge, über die das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich nicht entschieden hat – kann deshalb bezweifelt werden, falls die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Belastungsgleichheit zwischen den drei Institutsgruppen mittel- und langfristig nicht gewährleistet ist.